denkeslust
Was soll ich, wer bin ich?
denkerin | 09. Juli 07 | Topic 'brave new jobworld'
In joblosen Zeiten muss man sich eigentlich dauernd neu erfinden. Für jede Stelle, auf die man sich bewirbt, entwirft man ein leicht anderes Bild von sich selbst. Je nach gerade anvisiertem Job bekommt die Zukunft andere Konturen, werden die Interessen auf unterschiedliche Themenbereiche gelenkt, zeigen sich andere Entwicklungsmöglichkeiten.

Um eine gute Bewerbung schreiben zu können, muss man davon überzeugt sein, dass dies die richtige Stelle ist und man selber die richtige Kandidatin. Um diese Überzeugung zu gewinnen, ist viel Vorstellungsvermögen und Energieaufwand nötig. Gleichzeitig darf man sich aber ich nicht zu grosse Illusionen machen: Denn nichts kann so niederschmettern, wie zerschlagene Hoffnungen. Emotional muss man in dem Moment fähig sein, sowohl den vollen Einsatz zu bringen als sich auch in vorsichtiger Zurückhaltung zu üben.

Und dann sind da noch die grossen Fragen, die über die einzelnen Bewerbungen hinausgehen. Im Niemandsland zwischen zwei Stellen ist theoretisch plötzlich wieder unglaublich viel möglich. Kein Alltag gibt die Routine vor und erlöst zumindest phasenweise vor den grundsätzlichen Fragen. Was will ich wirklich im Leben? Ist das auch längerfristig der Weg, der mir entspricht? Oder sollte ich mir nicht besser nochmals eine andere Ausbildung angedeihen lassen und auf einen völlig anderen Bereich umsatteln? Oder mich vom Leben als Angestellte verabschieden und selbständig werden? Oder soll ich gar ganz aus der Berufswelt ausbrechen, mein lange gehegtes Romanprojekt verfolgen und auf einen Durchbruch als Schriftstellerin hoffen?

Diese Fragen liegen jeweils just dann als Pendenz auf meinem Pult, wenn ich wieder einmal einen Bewerbungsbrief verfasse. Und sie lassen sich auch unter grösstem Kraftaufwand nie ganz ignoreren.

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