denkeslust
Dienstag, 30. Oktober 2007
Über das Scheitern
denkerin | 30. Oktober 07 | Topic 'Einsichten'
Wieder so ein tiefsinniger Satz, der mir ans Herz gewachsen ist (im Moment habe ich's einfach mit den grossen Fragen).

"Wir lernen nie so viel über unsere wahren Motive, wie wenn wir scheitern."
(UrheberIn unbekannt)

Und noch etwas fällt mir ein: Dass im Scheitern auch eine innere Grösse liegt. Durchs Scheitern sind wir gezwungen zu schauen, wer wir ohne all die Ambitionen, Erwartungen an uns selber und die Anerkennung der Anderen sind.

"Mi son fatta grande mi son fatta molto piccola", singt Mina in "Eccomi", diesem grossartigen Lied über das Scheitern in der Liebe. Ist es nicht so, dass wir immer wieder glauben, uns grösser machen zu müssen, als wir sind, um geliebt zu werden? Dass wir uns gezwungen fühlen, uns dauernd zu verbessern, unsere Schwächen zu überwinden und durchgehend so grossartig zu sein, wie wir es nur in Ausnahmemomenten sein können?
Und wenn wir dann damit Scheitern, uns grösser zu machen, als wir sind, fallen wir in uns zusammen. Und machen uns kleiner, als wir sind. "Mi son fatta grande mi son fatta molto piccola".

"Eccomi", singt Mina weiter, "col niente grande che io ho. Inevitabilmente io. Ricominciare ancora" (frei übersetzt mit meinem beschränkten Italienisch: "Hier bin ich, mit dem grossen Nichts das ich habe. Unausweichlich ich. Und beginne wieder von vorne.")

Das ist der grosse würdevolle Moment des Scheiterns. Wenn wir uns eingestehen müssen, dass wir sind, wer wir sind. Es liegt etwas sehr Würdevolles in jenem schonungslos offenen "Eccomi". Denn wer das sagt, sagt nicht nur: Ich bin eigentlich nicht so gross, wie ich sein möchte. Sondern der sagt auch: Ich bin aber auch nicht so klein, wie ich zu sein befürchte. Wenn wir hinschauen, wer wir eigentlich sind, erkennen wir vielleicht sogar, dass wir stärker und menschlicher sind, als wir uns zugetraut haben.

Und dass wir den Mut haben, es von Neuem zu versuchen.

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Montag, 22. Oktober 2007
Die grosse Frage
denkerin | 22. Oktober 07 | Topic 'Einsichten'
"What makes you so sure that you're not the evil one yourself?"
(Jonathan Franzen / Alice Munro)

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Freitag, 19. Oktober 2007
Vergessen
denkerin | 19. Oktober 07 | Topic 'Einsichten'
Was ist eigentlich so schlimm an der Einsicht, dass sich 100 Jahre nach unserem Tod wohl niemand mehr an uns erinnert?

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Beliebigkeit
denkerin | 19. Oktober 07 | Topic 'Einsichten'
Manchmal schwirrt mir der Kopf ob all der Unsicherheiten und Ungewissheiten, die die tägliche Informationsflut in mir entfacht. Bilder können lügen, Journalisten einseitig berichten, WissenschaftlerInnen falsche Hypothesen verfolgen ...

Und doch stützt sich mein Wissen über die Welt zu einem wesentlichen Teil auf Informationen ab, die andere mir vermitteln. Als Nicht-Expertin kann ich - bei allem Bemühen um einen kritischen Geist - oftmals die Aussagen und Gegenaussagen nicht wirklich einordnen. Was soll ich noch glauben? Wovon soll ich ausgehen? Worauf stütze ich mich bei meinen Handlungen und Urteilen ab?

Gleichgültigkeit oder unendliches Relativieren ist für mich keine Lösung. Ich möchte mir eine Meinung bilden und diese auch vertreten. Schliesslich habe ich als erwachsene Person auch Verantwortung. Für Kinder und Jugendlich ist es etwas vom Schlimmsten, wenn sie nicht wissen, woran sie beim Gegenüber sind. Sie brauchen eine Reibungsfläche, um sich selber zu finden, eine eigene Identität und eigene Meinungen zu entwickeln.

Oder allgemeiner gesagt: Kommunikation ist nur dann möglich, wenn es Widerstände, Reibungsflächen gibt. Wer alles relativiert, wird letzlich beziehungslos.

Ein deutscher Theologe hat einmal gesagt (glaube ich zumindest), dass es letztlich um das "Trotzdem" geht.

Es ist zwar nicht möglich, sich seines Wissens gewiss zu sein. Aber wir müssen trotzdem nach Gewissheiten suchen. Die Anderen können sich irren oder lügen. Trotzdem müssen wir fähig sein, dem zu vertrauen, was sie uns erzählen.

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Mittwoch, 17. Oktober 2007
Ungeduldig
denkerin | 17. Oktober 07 | Topic 'Einsichten'
E-mails, Handys, Internet... Die Entwicklungen der Kommunikationstechnologie haben uns vor allem eins gebracht: Eine immer stärkere Verkürzung des Zeitraums, in dem wir uns gedulden müssen.

Wenn ich als Teenager etwas Neues über meinen Star erfahren wollte, musste ich eine Woche auf das neue "Bravo" warten. Wenn ich ein Musikstück nochmals hören wollte, musste ich warten, bis der Kassettenrekorder zurückgespuhlt hatte. Wenn ich meine Lieblingsserie schauen wollte, musste ich auf den entsprechenden Wochentag warten, wo sie am Fernsehen lief.

Jetzt kann ich all das sofort haben, wenn ich will. Die noch nicht ausgestrahlten Episoden meiner Lieblingsserie auf YouTube oder als Download auf einer Tauschbörse, den neuesten Klatsch auf einem Celebrity-Blog, und die eben veröffentlichten Songs im Apple Store.

Ich bin es mich nicht mehr gewohnt, zu warten. Rotlichter nerven mich - und sobald ich eine Lücke im Verkehr sehe, renne oder fahre ich los. Als Rechtfertigung für diesen Regelbruch kritisiere ich die Verkehrspolitik der Stadt - warum haben die ihre Ampeln auch auf so grosse Intervalle eingestellt? Auf Termine komme ich eher knapp - schliesslich will ich nicht noch lange rumstehen und warten. Und die Baustelle im Weg nervt mich, weil sie mich zum langsamen Fahren zwingt...

Was ich dadurch gewinne? Keine Ahnung. Stress, vermutlich.

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Sonntag, 14. Oktober 2007
Beängstigend?
denkerin | 14. Oktober 07 | Topic 'Einsichten'
Heute habe ich mit Susie auf der Münsterplattform die Welt im Allgemeinen und den Schweizer Wahlkampf im Besonderen diskutiert. Wir stellten beide fest, dass wir heute ängstlicher sind als vor ein paar Jahren. Ich schaue heute bei Hunden genauer hin, was für eine Rasse sie haben - und kriege bei allem, was auch nur annähernd nach Kampfhund aussehen könnte, sofort Herzklopfen. Und Susie wird es eher mal gschmuech, wenn sie bei der Reithalle an Ansammlung von biertrinkenden Punks vorbeilaufen muss. Früher kannten wir das nicht.

Woran liegt das? Am zunehmenden Alter? Daran, dass (zumindest eine von uns) ein Kind hat? Oder an den Gewaltmeldungen in den Medien? Ist das Gefahrenpotential tatsächlich gewachsen? Oder sind wir einfach nur furchtsamer geworden?

Wie steht es bei anderen Leuten? Empfinden die Menschen heute mehr Angst? Das wäre in der Tat besorgniserregend: Ist es doch gerade dieses Klima von Angst, dass Menschen anfällig macht für rechtspopulistische Propaganda. Und auch bei uns anderen, den Linken, nimmt dann die Sorge zu - quasi die "Angst vor der Angst der Anderen". Vor dem, was zu tun und abzustimmen die Verängstigten bereit sind, wenn sie aus Angst entscheiden.

Seltsame Welt: Da sitzen wir an einem wunderschönen Herbsttag gemütlich an einer der schönsten Ecken in Bern vor unseren feinen Cappuccinos, umgeben von spielenden Kindern und zufriedenen Erwachsenen. Und sorgen uns.

Dieser bescheuerte Wahlherbst, also ehrlich! Der macht eineN noch ganz verrückt. Lasst es bitte ganz, ganz rasch 21. Oktober werden. Damit sich die Wolken über unseren Köpfen wieder verziehen und wir endlich wieder klarer sehen können.

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Montag, 9. Juli 2007
Schwemmholz
denkerin | 09. Juli 07 | Topic 'Einsichten'
Erkenntnisse sind wie Schwemmholz. Sie werden eher zufällig angespült, tauchen eine zeitlang an der Oberfläche auf, verschwinden dann wieder aus dem Bewusstsein und werden einige Jahre später wieder an anderer Stelle an Land geschwemmt. Auch in Worte gefasste Erkenntnisse verhallen oft, ohne Spuren zu hinterlassen. Und dann geht vergessen, was wir eigentlich ändern wollten, und unsere alten Muster treiben uns dazu, die gleichen Fehler immer mal wieder zu begehen.

Ertragen lässt sich das vielleicht nur mit jener Mischung aus Resignation, Nachsicht und Humor, die Hildegard Knef gegen Ende ihres Lebens so grossartig in Worte zu fassen verstand:

"Ich bin den weiten Weg gegangen,
und oft im Kreis,
und oft im Kreis.
Ich bin den weiten Weg gegangen,
nur weise,
nein weise,
wurde ich nicht."

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Montag, 2. Juli 2007
Kein Anspruch auf Neuheit
denkerin | 02. Juli 07 | Topic 'Einsichten'
Kann man in dieser informationsüberfluteten Zeit überhaupt noch irgendetwas Neues sagen oder denken? Wurde nicht schon alles mal gedacht, gesagt und geschrieben? Und wozu soll ich es dann in diesem Blog nochmals festhalten? Vielleicht ist es für meine LeserInnen ja schon längst ein alter Hut?

Diese Selbstzweifel überkommen die um Innovation bemühte Bloggerin nicht selten. Umso glücklicher ist sie darüber, dass sie sich dann auf Herrn Wittgenstein berufen kann. Dieser entledigte sich einst mit einem gekonnten Befreiungsschlag ein für alle Mal des Drucks zur Einmaligkeit und Originalität:

„Wieweit meine Bestrebungen mit denen anderer Philosophen zusammenfallen, will ich nicht beurteilen. Ja, was ich hier geschrieben habe, macht im Einzelnen überhaupt nicht den Anspruch auf Neuheit; und darum gebe ich auch keine Quellen an, weil es mir gleichgültig ist, ob das, was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat.“
(Ludwig Wittgenstein im Vorwort zum Tractatus logico-philosophicus)

Dieses Motto nehme ich mir gerne zu Herzen. Es gibt vielleicht nichts Neues unter der Sonne. Aber auch das Alte ist skuril, erfreulich und spannend genug, um ein zweites, drittes oder siebenhundertdreiunfünfzigstes Mal darüber zu schreiben.

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Freitag, 22. Juni 2007
Kein einfaches Thema
denkerin | 22. Juni 07 | Topic 'Einsichten'
"Ich finde Masturbation ja eigentlich noch interessant - es sei denn, sie ist intellektuell."
Benjamin Abt-Schiemann, Sexworker und Aktivist ProKoRe (Prostitution, Kollektiv, Reflexion)

Wie kann Prostitution dargestellt werden, ohne dass es klischiert, voyeuristisch oder schockierend ist? Antwort auf diese Frage gibt die Ausstellung Sexarbeit im Kornhausforum in Bern. Selbstbewusste SexworkerInnen wie Benjamin Abt, die eine Anerkennung ihres Berufes fordern, kommen dort genauso vor wie der Drogenstrich und erzwungene Prostitution. Wahrlich kein einfaches Thema. Ich verliess die Ausstellung mit einer ziemlichen Wut im Bauch. Und mit vielen offenen Fragen zum Wesen von Sexualität und deren gesellschaftliche Bewertung.

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Montag, 18. Juni 2007
Altlasten und Erinnerungstücke
denkerin | 18. Juni 07 | Topic 'Einsichten'
Könnte es sein, dass es Ähnlichkeiten darin gibt, wie wie mit unserer Vergangenheit und mit den sich in einer Wohnung anhäufenden Gegenständen umgehen?

Meine Gattin und ich waren kürzlich bei einer Freundin zu Besuch, deren aufgeräumte Wohnung mich jedesmal mit Bewunderung erfüllt. Sie hat nichts Überflüssiges in der Wohnung: Keine aus den Nähten platzenden Bücherregale, kein mehr oder weniger dekorativer Krimskrams, keine seit Jahren ungetragene Kleider die die Schränke verstopfen, keine überflüssigen Schreibutensilien auf Pulten und Telefontischli. Nichts. Einfach nur die vier, fünf wichtigsten Möbel pro Raum, ein paar technische Geräte. That's it.

Meine Gattin und ich dagegen haben immer von allem ein bisschen zu viel - weil wir beide nichts wegwerfen können. Bemühungen, aus dem zu viel ein bisschen weniger zu machen, bleiben regelmässig an den altbekannten Einwänden hängen:
"Oh, wirf die zwei Tage alte Zeitung noch nicht ins Altpapier, ich möchte diesen Artikel noch lesen."
"Ja, diese Hose habe ich schon länger nicht getragen, aber vielleicht brauche ich sie irgendwann einmal doch noch."
"Von meinen Büchern kann ich mich einfach nicht trennen, ich muss sie um mich haben, auch wenn ich sie nicht mehr lese."
Unsere Einstellung zu diesem Zuviel ist aber eine unterschiedliche: Während ich dieses Zuviel manchmal als Last erlebe und zwischendurch befreiende Wegwerfaktionen brauche, fühlt sich meine Gattin darin eigentlich ziemlich wohl. In einer leeren Wohnung könnte sie nicht wohnen.

An besagtem Abendessen stellten wir drei nun fest, dass wir jeweils einen sehr unterschiedlichen Umgang mit unseren Wurzeln haben. Die Freundin (mit der leeren Wohnung) sagt von sich, sie hätte eigentlich keine Wurzeln, kaum einen Bezug mehr zu ihrer Herkunft. Meine Gattin (fühlt sich nur in prall gefüllter Wohnung wohl) hingegen hat sehr starke Wurzeln, die für sie ein wichtiger, stärkender und tragender Teil ihres Lebens sind. Und auf die sie sehr stolz ist. Ich (die ich zwar in voller Wohnung wohne, damit aber nur teilweise glücklich bin) habe ebenfalls starke Wurzeln, die ich manchmal als Bereicherung empfinde, manchmal aber auch als Last.

Was denkt Ihr? Seht ihr auch Parallelen zwischen dem Umgang mit alten Gegenständen und Euren Wurzeln? Dann macht mit bei meiner ersten Umfrage!
Tatsächlich, auch ich sehe hier gewisse Parallelen.
Nein, finde ich völlig an den Haaren herbeigezogen.
Sowohl als auch.
Eine völlig überflüssige Frage. Verweigere Auskunft.

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Created by denkerin on 2007.06.17, 22:49.

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